Aktuelle Plenarwoche im Europäischen Parlament

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Digital Markets Act – Marktmacht von Digital-Konzernen begrenzen – Richtlinie; Debatte am Dienstag, 14.12.2020, 9 Uhr bis 11.50 Uhr, finale Abstimmung am Mittwoch, 15.12.2021, von 12.30 Uhr bis 13.45 Uhr, Ergebnisverkündigung um 19 Uhr

Plattformen wie Booking.com oder Messenger wie WhatsApp nutzen ihre Marktmacht, indem sie die eigenen Angebote gegenüber Konkurrenten begünstigen, den Zugang zur Online-Welt begrenzen und Abhängigkeiten von ihren Diensten schaffen. Gegen neue EU-Regeln für Online-Märkte haben Big-Tech-Konzerne in Brüssel enorme Lobby-Summen eingesetzt. Das Europäische Parlament stimmt im Dezember-Plenum über seine Verhandlungsposition für das Digitale-Märkte-Gesetz ab. Gibt es eine Mehrheit, gilt: Egal für welche App man sich entscheidet – alle Kontakte können künftig erreicht werden, wie etwa beim Mail oder SMS-Versand. Das bedeutet, dass Nutzer*innen von Signal zum Beispiel Kontakte auf WhatsApp erreichen können. Diese Interoperabilitätspflicht für Messenger-Dienste und Soziale Netzwerke ist aus sozialdemokratischer Sicht sehr begrüßenswert. Das würde den Alltag der Verbraucher*innen erleichtern. Halten sich Unternehmen nicht an die neuen Verpflichtungen, drohen Strafzahlungen von vier bis zu 20 Prozent des Jahresumsatzes. Nach der Abstimmung im Parlament im Dezember geht es in Verhandlungen mit Rat und Kommission.

Hass und Gewalt gegen Frauen auch online stoppen – Initiativbericht; Debatte im Plenum am Montag, 13.12.2021, ab 17 Uhr, Abstimmung am Dienstag, 14.12.2021, 12.30 Uhr bis 13.45 Uhr, Verkündung des Abstimmungsergebnisses um 19 Uhr

Eine von zehn Frauen in der EU hat laut einer Studie des European Parliamentary Research Services von 2021 bereits Stalking oder Belästigung im Netz erlebt. Besonders häufig trifft es Frauen in der Öffentlichkeit, wie Politikerinnen, Journalistinnen, Bloggerinnen oder Menschenrechtsverteidigerinnen. Was online passiert, bleibt nicht online, sondern hat Auswirkungen auf das ganze Leben: Rückzug aus der Öffentlichkeit sowie Angst und Depressionen können die Folge sein. Ein Ziel von Cyber-Kriminalität: Frauen sollen mundtot gemacht und aus dem öffentlichen Raum gedrängt werden – online, wie offline. Der legislative Initiativbericht bemängelt das Fehlen eines EU-Rechtsrahmens zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Cybergewalt sowie das Fehlen wirksamer Schutz- und Unterstützungsmechanismen für die Betroffenen. Die Corona-Pandemie hat das Problem verschärft. Der Initiativbericht wiederholt daher die Forderung des Parlaments nach einer europäischen Richtlinie, die eine gemeinsame strafrechtliche Definition von geschlechtsspezifischer (Cyber-)Gewalt und Sanktionen gegen Täter festlegt. Die Richtlinie soll zudem die Förderung präventiver Maßnahmen, Schutz und Unterstützung betroffener Frauen sowie Regeln zur Wiedergutmachung der Opfer umfassen.

Gleichstellung in der EU – Fortschritte dringend nötig – Fortschrittsbericht; Debatte im Plenum am Montag, 13.12.2021 ab 17 Uhr, Abstimmung am Dienstag, 14.12.2021, 12.30 Uhr bis 13.45 Uhr, Verkündung des Abstimmungsergebnisses um 19 Uhr

Das Europäische Parlament stimmt kommende Woche über den jährlichen Fortschrittsbericht zum Stand der Gleichstellung in der EU ab. Der Bericht analysiert dieses Mal nicht nur ein Jahr, sondern, auf Grund der Verzögerungen durch die Covid-19 Pandemie, einen Zeitraum von zwei Jahren. Aus gleichstellungspolitischer Sicht war diese Phase nicht besonders erfolgreich. Die Fortschritte, die es zuletzt in manchen Mitgliedstaaten gab, haben sich verlangsamt, manche Länder haben in ihren Bemühungen stagniert, andere versuchen, die Uhr aktiv zurückzudrehen, etwa die nationalkonservativen Regierungen in Polen und Ungarn. Und wieder andere Regierungen kommen mit ihren Maßnahmen schlicht nicht gegen Traditionen, Rollenerwartungen und gesellschaftliche Strömungen an, die unter Corona für eine Retraditionalisierung gesorgt haben. Viele Frauen werden in dieser Zeit noch deutlicher als vorher an einen Platz zu Hause verwiesen und leisten oft unterbewertete und unbezahlte Care-Arbeit. Im Fokus des Berichts stehen dabei die Themen Lohnungleichheit, Armut und soziale Ausgrenzung, die Stärkung öffentlicher Dienste für einen besseren Zugang zu Gesundheit und Bildung, der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen  – am Arbeitsplatz, zuhause, aber auch online – sowie die Bekämpfung von Menschenhandel.

Mitbestimmung Beschäftigter stärken – Initiativbericht; Abstimmung am Mittwoch, 15.12.2021, 12.30 Uhr bis 13.45 Uhr sowie 20 Uhr bis 21.15 Uhr, Verkündigung des Ergebnisses am Donnerstag, 16.12.2019 Uhr

Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit sind zentrale Werte der Europäischen Union. Demokratie ist aus sozialdemokratischer Sicht nicht nur auf der politischen Ebene wichtig, sondern auch auf der wirtschaftlichen. Mehr Demokratie am Arbeitsplatz ist Teil eines umfassenderen Konzepts für ein sozialeres Europa. Eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer*innen führt in der Regel dazu, dass Unternehmen nachhaltiger agieren, bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung bieten und höhere Investitionen tätigen. Davon profitieren Unternehmen wie Beschäftigte. Europa steht aktuell vor enormen Transformationen, die in bestimmten Regionen und Sektoren mit großen Umbrüche verbunden sein werden. Der Green Deal genauso wie die Digitalisierung haben zur Folge, dass Unternehmen sich neuen Herausforderungen stellen müssen und mit ihnen Millionen Beschäftigte in Europa. Es ist daher wichtig, Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften europaweit einzubeziehen, um einen fairen Übergang zu schaffen, der niemanden zurücklässt. Demokratische Teilhabe ermöglicht, nicht Objekt, sondern gestaltendes Subjekt dieses Wandels zu sein. Titel des Berichts, den das Plenum im Dezember abstimmt, ist: „Europäischer Rahmen für die Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern und Überarbeitung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats“.

Erste Erfahrungen mit dem Wiederaufbaufonds – Modell für die Zukunft – Debatte mit EU-Kommission und Rat am Mittwoch, 15.12.2021, ab 15 Uhr

Europapolitisch war dieses Jahr auch vom Start des historischen Wiederaufbaufonds geprägt: Erstmals hat die EU-Kommission stellvertretend für 27 Mitgliedstaaten an den Finanzmärkten Geld geliehen. Das Dezember-Plenum gibt Gelegenheit für eine erste Bilanz. Die Finanzspritzen sind an Reformpläne der Regierungen und an Rechtsstaatlichkeit gebunden – ein Modell, das aus Sicht der europäischen Sozialdemokratie auch in Zukunft für einen nachhaltigen Aufschwung Europas sorgen könnte. Denn die Jahrhundertaufgabe Klimaneutralität gelingt nur mit weiteren Investitionen.

Rechtsstaat in Polen – Unterminierung von Grundrechten stoppen – Debatte mit Kommission und Rat im Plenum am Mittwoch, 15.12.2021, ab 15 Uhr

Der Abbau von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch die polnische Regierung schreitet voran. Der illegitime Verfassungsgerichtshof hat mittlerweile den Vorrang des Unionsrechts sowie Teile der Europäischen Menschenrechtskonvention für unvereinbar mit der polnischen Verfassung erklärt. Damit droht sich Polen nicht nur aus der europäischen Werte- sondern auch aus der europäischen Rechtsgemeinschaft weiter zu verabschieden. Die letzten Wochen waren zudem aus gleichstellungspolitischer Sicht ein weiterer Schlag ins Gesicht der Frauen. Während das polnische Parlament einen Gesetzentwurf mit bis zu 25 Jahren Gefängnis für Menschen, die eine Abtreibung vornehmen oder vornehmen lassen, knapp abgelehnt hat, wurde das Vorhaben, ein nationales Register mit schwangeren Frauen aufzusetzen, weiterverfolgt. Mit dieser Form der staatlichen Überwachung würden auch Schwangerschaftsabbrüche im Ausland quasi unmöglich, selbst bei Fehlgeburten könnte eine Kriminalisierung drohen. Die Einrichtung eines Instituts für Familie und Demographie, ein weiterer Schachzug zum schleichenden Abbau von Grund- und Frauenrechten, soll Scheidungen verhindern und für eine höhere Geburtenrate sorgen. Damit wird klar: Die freie Entscheidung zählt in diesen Belangen nicht mehr. Die EU hat hier eine Verantwortung gegenüber den Menschen in Polen und der gesamten EU – sie muss ihre Anstrengungen noch einmal erhöhen. EU-Kommission und Rat sind aufgerufen, nicht weiter auf der Bremse zu stehen und den Rechtsstaatsmechanismus und sowie das Artikel-7-Verfahren mit aller Anstrengung zu verfolgen. Die SPD-geführte Bundesregierung kann hier neuen Schwung bringen.

Europäisches Jahr der Jugend 2022 – unbezahlte Praktika verbieten – Gemeinsamer Beschluss; Debatte am Dienstag, 14.12.2021, 9 Uhr bis 11.50 Uhr, Abstimmung von 12.30 Uhr bis 13.45 Uhr, Ergebnisverkündigung um 19 Uhr

Mittels Veranstaltungen und Mitmach-Projekten in der gesamten EU soll während des Jahres 2022 deutlich werden, dass junge Menschen eine zentrale Rolle für die erfolgreiche Gestaltung einer grüneren, inklusiveren und digitalen Zukunft spielen. Das Themenjahr soll Jugendlichen, die besonders unter der Bewältigung der Pandemie leiden, neue Perspektiven bieten. Ob angemessen bezahlte Praktika oder die europaweite Anerkennung von Abschlüssen: Für ein erfolgreiches Europäisches Jahr der Jugend in 2022 ist es aus sozialdemokratischer Sicht zwingend notwendig, dass die vielen Forderungen von jungen Menschen in Europa endlich umgesetzt werden. Die EU-Kommission führt nicht umsonst regelmäßig einen sogenannten Jugenddialog durch. Im Jahr 2022 sollte Kommissarin Mariya Gabriel einen Rechtsrahmen für ein wirksames und durchsetzbares Verbot unbezahlter Praktika, Ausbildungsplätze und Lehrstellen vorlegen – eine Forderung, welche Abgeordnete der S&D seit Langem unterstützen. Mit einer Mehrheit in Plenum und Rat für das Trilog-Ergebnis ist das Jugendjahr 2022 beschlossene Sache.

Verleihung des Sacharow-Preises für Menschenrechte an Alexei Nawalny – Mittwoch, 15.12.2021, 12 Uhr bis 12.30 Uhr

Die Sozialdemokrat*innen gratulieren Alexei Nawalny zum Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments. Auch wenn man wegen seiner fremdenfeindlichen Äußerungen nicht mit ihm einer Meinung sein muss, muss Nawalny das Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen können. Das ist allerdings für zivilgesellschaftliche Aktivist*innen in Russland so gut wie unmöglich. Als Mitglied des Europarats ist Russland verpflichtet, sich an geltendes Recht zuhalten. Deswegen muss Alexei Nawalny unverzüglich freigelassen werden.

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Petra Kammerevert MdEP